Verbrenner

Warum wir in 20 Jahren (fast) alle E-Auto fahren

Auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen: Die Zukunft im Pkw-Verkehr ist elektrisch, die Weichen für den Mobilitätswandel sind gestellt.

Man muss nur die Trefferquote sogenannter Wahrsager überprüfen und weiß, was man von dieser Kunst zu halten hat. Prognosen für die Zukunft sind immer schwierig und meist unmöglich. Wenn man aber die Entwicklungen im Verkehrssektor der letzten Jahre aufmerksam beobachtet hat, dann darf man getrost eine Voraussage darüber treffen, wie wir in zehn, zwanzig Jahren unterwegs sein werden. Denn die Entwicklung hin zur Elektromobilität im Pkw-Bereich hat wichtige Hürden genommen, und die daraus resultierende Dynamik dürfte sich nicht mehr aufhalten lassen: Zu eindeutig definiert sind mittlerweile die Rahmenbedingungen.

Die politischen Vorgaben

Energiesystem BEM
Bi-direktionales Laden: Das E-Auto dient künftig als Energiespeicher fürs Haus. Foto: MMD

Es geht um die Elektromobilität: sprich das vollelektrische Auto, BEV genannt. Und die Vorgaben sind klar: Die Politik möchte das Land bis 2045 CO2-neutral machen, und ohne eine grundlegende Umstellung im Verkehrsbereich ist dieses Ziel nicht erreichbar. Im Pkw-Bereich hat sich eine Lösung herauskristallisiert, das E-Auto. Wenn die Politik Vorgaben macht, heißt das zwar noch nicht, dass Industrie und Verbraucher entsprechend handeln (man erinnere sich an das Merkel´sche Versprechen, bis 2020 eine Million E-Autos auf der Straße zu haben), seitdem hat sich aber ein weiterer entscheidender Wandel vollzogen. Die Industrie, allen voran Volkswagen, setzt uneingeschränkt auf die BEV.

Was plant die Industrie?

In allen Technologiezentren der Autowelt rauchen die Köpfe, wie man die Elektroauto-Technologie am schnellsten zum Einsatz bringt und weiterentwickelt. Nahezu alle Marken überschlagen sich in Ankündigungen, wann welche Modelle zu erwarten sind, und neue Elektro-Marken drängen stetig auf den deutschen Markt. In diesem Fahrwasser denken auch die Zulieferer um und entwickeln Teile und Services für die Elektrowelt. Zwar werden auch die Verbrenner (noch) weiterentwickelt, doch nicht wenige Marken (und Länder) haben schon den Ausstieg aus dieser Technologie angekündigt.

Ein Riese befindet sich also im Wandel und macht sich daran, große Teile der deutschen Wirtschaft (und auch der der ganzen Welt) unwiderruflich umzukrempeln. Wagen wir also einen Blick darauf, wie sich dieser Wandel vollziehen dürfte. Der erste große Schritt sind die Förderpakete für Elektroautos und Plug-in-Hybride sowie für ein Installation einer privaten Wallbox.

Welche Vorteile für den Verbraucher?

Kosten E-Auto
Die LeasePlan-Studie sieht E-Autos bei den Kosten im Vorteil. Grafik: LeasePlan

Durch ersteres können Elektroautos beim Preis schon heute mit Verbrennern mithalten. Und weil die Preise für die teuren Akkus im stetigen Sinkflug sind, dürfte es nicht mehr lange dauern, bis die Kilowattstunde unter die magische Grenze von 100 Euro sinkt. Wann? Hierzu gehen die Schätzungen noch auseinander, doch Mitte des Jahrzehnts sollte es soweit sein. Derzeit liegen sie noch bei knapp über 110 Euro. Warum ist diese Grenze so wichtig? Unter 100 Euro je kWh Akkupreis sind E-Autos auch ohne Förderung konkurrenzfähig, und die Technologie kann ihre Stärke bei den Betriebskosten ausspielen: Sie fahren dann nämlich günstiger als ein vergleichbarer Verbrenner. Und die Preise für Akkus werden weiter sinken.

Wie geht´s mit dem Verbrenner weiter?

Auf der anderen Seite nämlich werden Benzin und Diesel beständig teurer, denn die jüngst eingeführte CO2-Steuer soll jährlich steigen. Noch offen ist, wie sich die Strompreise entwickeln, was vor allem von der Politik abhängt (EEG-Gesetz). Fest steht: Von den jüngsten Umfrageerfolgen der Grünen und dem Urteil des Verfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz aufgerüttelt, verpassen sich nahezu alle Parteien ein grünes Mäntelchen, sogar die Union.

Gibt es Alternativen zum BEV?

Theoretisch schon. Vor allem Toyota hat das Auto mit Brennstoffzellenantrieb und Wasserstoff als Kraftstoff weiterentwickelt. Auch Hyundai hat mit dem Nexo ein solches Fahrzeug im Programm. Doch das Konzept hat mehrere Haken. Denn eigentlich ist auch das Brennstoffzellenfahrzeug ein Elektroauto: Der Strom wird halt im Auto durch Umwandlung von H2 erzeugt und treibt dann den E-Motor an. Dabei gibt es hohe Umwandlungsverluste, zudem muss der Wasserstoff CO2-neutral produziert und verteilt werden. Grundsätzlich ist diese Technik also ein Umweg zum gleichen Ziel, was sich auch in den Anschaffungskosten manifestiert. Auch einen Akku für die Zwischenspeicherung der Energie gibt es. Warum dies in Kauf nehmen?

Wie sieht die Energiewirtschaft in 20 Jahren aus?

Die Basis wird die Erzeugung grünen Stroms durch Wind-, Wasser- und Sonnenkraft sein. Kohlestrom wird es dann nicht mehr geben, Atomstrom nur noch im Ausland (und ich gehe jede Wette ein, dass das Endlagerproblem bis dahin immer noch ungelöst ist). Die große Mehrzahl der Einfamilienhäuser sind mit Wallboxen ausgerüstet, was den örtlichen Versorgern keine Probleme bereitet, denn schon heute kann das Netz die Last gut stemmen, wie Versuche ergeben haben. Vor allem neu errichtete Mietwohnungen verfügen in den Tiefgaragen ebenfalls über Anschlüsse zum Laden; Stadtwohnungen werden über öffentliche Säulen, die es in ausreichender Zahl gibt, versorgt. An den Autobahnen gibt es ein dichtes Netz an Ultra-Schnellladern, die es ermöglichen, E-Autos in zehn Minuten zu 80 Prozent zu laden. Vielleicht gibt es sogar Akku-Tausch-Stationen. Nicht zu vergessen: Die Reichweite wird durch die enorme Entwicklungsarbeit und Forschung deutlich wachsen. 800 bis 1.000 Kilometer je Akkuladung werden keine Seltenheit sein.

Wie entwickelt sich der Automarkt?

Ausstieg
Einige Länder haben schon den Ausstieg aus dem verbrenner angekündigt. Foto: BEM

Bereits seit Mitte der 20er Jahre werden die BEV günstigere Betriebskosten ausweisen als Verbrenner. Dadurch wird ein Beben im Markt ausgelöst. Während Verbrenner zu Ladenhütern mutieren, entsteht starke Nachfrage nach BEV. Durchaus denkbar, dass sich dies in Lieferschwierigkeiten manifestieren wird, weil nicht nur Deutschland den Wandel vollzieht. Noch chaotischer wird es auf dem Gebrauchtwagenmarkt zugehen. Die Nachfrage nach Millionen ausrangierter Verbrenner schwindet, die Restwerte sinken, da alle Abflusskanäle verstopft sind. Gebrauchte Stromer hingegen – so sie nicht aus den Anfangsjahren der Elektromobilität sind -, steigen im Wert.

Was ist mit Kobalt und Lithium?

Gleichzeitig verringert sich der CO2-Rucksack der BEV bei der Produktion und der Verwertung von Fahrzeugen und Akkus. Seltene Erden oder Kobalt und Lithium werden weitgehend durch andere Stoffe ersetzt, die Fabriken arbeiten mit grünem Strom und die Verwertung der Akkus als Speicher oder durch Demontage schließt den grünen Pkw-Kreislauf. Nicht wenige Hausbesitzer speisen übrigens den auf dem Dach gewonnenen Strom direkt in die Batterie ein und verwenden diese als Energie-Backup für das Haus (Stichwort V2G). Das Endziel ist ein Kreislauf, bei dem nur wenig CO2 in die Umwelt abgegeben wird.

Die Abkehr von der Erdölwirtschaft

Nicht zu vergessen: Diese Entwicklung leitet gleichzeitig eine Abkehr von der Erdölwirtschaft ein. Denn nicht nur die Förderung und Verbrennung im Pkw verursacht ja Umweltschäden: Man denke nur an havarierte Öltanker und die Energie, die nötig ist, bis der Sprit bei der Tankstelle ankommt. Und: Regierungen können sich darüber freuen, nicht mehr von den Erdöl- (und -gas) Produzenten abhängig zu sein.

Schöne neue Auto-Welt, aber eine Illusion? Mag sein. Fest steht aber, dass sich hier ein Weg abzeichnet, der gangbar ist und zu einem guten Ergebnis führt. Mit einer Wasserstoffwirtschaft ist das im Pkw-Bereich kaum vorstellbar. Sie könnte bei Lkw (wichtig!), Schiffen oder auch Flugzeugen genutzt werden.

Also: Die Weichen sind bereits gestellt. Es kommt nun drauf an, dass Fahrt aufgenommen wird. Ach ja: Kosten und Arbeitsplätze sollten nachrangige Argumente in der Diskussion sein, der Weg zum CO2-neutralen Verkehr ist nämlich, wie die Kanzlerin gerne sagt: alternativlos. HM/Titelfoto: pixabay

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