Mit dem Prototypen GT4 e-Performance bereitet sich Porsche auf den Kundensport der Zukunft vor. Wir durften mitfahren.
Bis zu 800 kW oder auch 1.088 PS, dauerhaft für 30 Minuten immerhin noch 450 kW (612 PS) – der Porsche GT4 e-Performance ist ein echtes Kraftpaket. Zwar ist der Renner noch ein Versuchsträger. Doch schon 2023 soll der vollelektrisch angetriebene Rennwagen zeigen, dass er durchaus das Zeug hat, in der herkömmlichen GT-Serie konkurrenzfähig zu sein. Projektmanager Björn Förstern plant jedenfalls einen Einsatz im Carrera Cup. Wo genau ist noch nicht klar. Für ihn wäre der Stadtkurs in Monaco der ideale Einsatzort. „Da kann der GT4 e-Performance seine Stärken am besten unter Beweis stellen.“ Für die Qualifikation kann der Wagen dann die volle Leistung abrufen, im Rennen wird das auf die 450 kW beschränkt. Im Hinblick auf die Rundenzeit-Performance und Höchstgeschwindigkeit orientiert sich der GT4 e-Performance am aktuellen 911 GT3 Cup der Generation 992.
Erster Einsatz in Monaco?
Angetrieben wird der Versuchsträger, der auf die Technologiekomponenten der Konzeptstudie Mission R setzt, über beide Achsen. Je eine permanenterregte Synchronmaschine (PSM) ist an Vorder- und Hinterachse platziert. Die Kraft der Aggregate kann ganz nach Bedarf bis zum Verhältnis 50:50 verteilt werden. Wobei, wie bei einem Rennwagen üblich, der Heckantrieb klar im Vordergrund steht. Das Chassis basiert, ebenfalls wie beim Mission R, auf dem Cayman GT4 Clubsport, ist aber 14 Zentimeter breiter. Die drei Akkus mit einem Gesamtgewicht von 450 Kilogramm sind im Vorderwagen, im Fußraum des Beifahrerplatzes und im hinteren Bereich untergebracht. Damit haben die Entwickler eine ideale Gewichtsverteilung erreicht.
Der Kopf knallt nach hinten
Wie ideal, das haben wir auf dem Beifahrersitz des GT4 e-Performance jetzt erfahren dürfen. Im Porsche-Experience-Center in Franciacorta bei Brescia saß die Porsche-Werksfahrerin Simona De Silvestro am Steuer. Und die scheint auf diesem Platz nur zwei Dinge zu kennen. Stehen oder Vollspeed. So knallt der Kopf nach Ausfahrt aus der Boxengasse direkt einmal voll gegen die Stütze. Die ist zum Glück auch aufgrund des Helms nur wenige Zentimeter entfernt, so dass der Aufprall nicht allzu stark ist. Doch kaum ist diese Schrecksekunde überwunden, fliegt die erste Kurve auf uns zu. „Will die Frau denn gar nicht bremsen“, ist ein Gedanke, der einen Moment später schon der Vergangenheit angehört. Dann nämlich schießt der Wagen schon wieder mit Vollspeed auf der Geraden nach vorn. Auch die ist wieder nur kurz, ehe die nächste von vielen engen Kurven und Schikanen wartet. Einzig die Zielgerade ist wirklich lang. Zwar kratzt die Tachonadel auch auf den kurzen Stücken immer mal wieder die Marke 200, doch unter der Zielflagge liegt das Tempo nochmal um einiges höher.
Unfassbare Performance
Beeindruckend dabei, wie gut der Wagen um die Ecken geht und wie unfassbar die Performance beim Beschleunigen ist. Kein Ausbrechen, kein Wackeln, kein Zucken – die komplette Kraft kommt über die speziell entwickelten 18-Zoll-Michelin-Reifen mit einem hohen Anteil biobasierter und rezyklierter Materialien auf der Fahrbahn an.
Nach den drei wirklich schnellen Runden geht es zurück in die Box. Simona schaut einmal kurz auf den Beifahrer, reckt mit fragendem Blick den rechten Daumen nach oben, nickt zufrieden, als sie gleich zwei anerkennende Daumen sieht. In der Box wird der mit 900-Volt-Technologie ausgerüstete GT4 e-Performance gleich wieder angeschlossen, um die Akkus mit neuer Energie zu versorgen. Hierfür hat Porsche einen acht Tonnen schweren Ladewürfel mit Batterien aus ausgedienten Taycan-Modellen entwickelt. 500 kWh stehen hier zur Verfügung, die immer wieder aus dem herkömmlichen Netz nach und nach wieder nachgeladen werden können.
350 kW Ladeleistung
Die Ladeleistung des Porsche liegt bei 350 kW. So liegt die Ladezeit bei 15 Minuten von fünf auf 80 Prozent SoC. Gekühlt werden die Akkus im Fahrzeug übrigens komplett mit Öl. Sogar zwischen den einzelnen Zellen läuft die keinen Strom leitende Flüssigkeit hindurch. Die Wandstärke des Kohlefasergehäuses des Akkus beträgt lediglich 20 Millimeter.
Das Aufladen wäre aber noch nicht notwendig gewesen. Denn ausgelegt sind die Akkus des GT4 e-Performance, um eine im Carrera Cup übliche Renndauer von 30 Minuten zu schaffen. 50 Prozent der dafür benötigten Energie werden dabei aus Rekuperation gewonnen. Hier ist vor allem die E-Maschine an der Vorderachse im Einsatz.
6.000 neu konstruierte Teile
Außer der Rekuperation tragen viele Aerodynamik-Maßnahmen und Gewichtseinsparungen dazu bei, dass der Verbrauch und die Renndauer kompatibel sind. So gibt es weder Außen- noch Innenspiegel. Kameras und Displays sorgen für die Sicht nach hinten. Die Bremsen sind aufgrund der Rekuperation nicht so voluminös ausgelegt wie bei den Verbrennern. Das spart zwölf Kilogramm.
Alles in allem hat Porsche 6.000 Teile für den GT4 e-Performance neu konstruiert. Die Karosserie besteht unter anderem aus Naturfaser-Verbundwerkstoffen, deren Herstellung weniger Emissionen erzeugen soll als die Produktion vergleichbarer synthetischer Stoffe. Testweise kommen auch recycelte Karbonfasern zum Einsatz. Man darf sehr gespannt sein, wie die das elektrische Kraftpaket bei den ersten Herausforderungen schlägt.
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