Auf der Zero DS schwindet die Reichweitenangst auf ein Mindestmaß; dafür muss man einiges investieren. Ein Fahrbericht.
Das Hauptproblem elektrischer Motorräder ist ihre Reichweite – und das markenübergreifend. Viel zu oft muss man allzu früh eine Stromquelle ansteuern; die Reichweitenangaben werden selten erreicht. Eine Ausnahme ist nun die Zero DS: Erstmals war es uns im Test möglich, an die zweieinhalb Stunden Landstraßenfahrt zu absolvieren, ohne von akuter Reichweitenangst befallen zu werden. Die DS schaffte die in vollem Ladezustand angezeigten 159 Kilometer nicht nur ohne Einschränkung – sie legte trotz überwiegend sehr zügiger Fahrweise sogar noch eine Handvoll Kilometer drauf. Da in der niederbayerischen Testregion die Verkehrsdichte auf Landstraßen überwiegend gering ist, ergab sich auf den zumeist befahrenen Straßen der zweiten und dritten Kategorie ein sehr respektabler Geschwindigkeitsdurchschnitt von gut 70 km/h. Da muss ein Motorrad schon was leisten.
Dass sich die Zero DS so gut in Szene setzen konnte, verdankt sie sowohl ihrem großen 14,4-kWh-Akku als auch ihrer – auf dem Papier – bescheidenen Motorisierung. Ihre für die nötige Fahrerlaubnis entscheidende Dauerleistung beträgt bescheidene 11 kW/15 PS. Sie liegt damit am Limit für eine 125er und den Führerschein A1 beziehungsweise B196. Der E-Motor des neuen Typs Z-Force 75-5 erfreut den Fahrer allerdings mit einer Maximalleistung von 45 kW/60 PS, das ist rund viermal so viel wie die Dauerleistung.
Zero DS: Rabiate Beschleunigung
Noch wichtiger ist das maximale Drehmoment von 132 Nm – das Ergebnis ist eine ziemlich rabiate Beschleunigung bis gut 100 km/h, ungefähr auf dem 75-PS-Niveau von Verbrennern, und eine Höchstgeschwindigkeit von 139 km/h. Diese Angabe von Zero konnten wir mehrfach reproduzieren. Sie stellt freilich keine Dauer-Höchstgeschwindigkeit dar, sondern ist nur kurzfristig realisierbar. Auf Dauer ist bei 105 km/h Schluss.
Mit dieser „125er“ kann man also in der Stadt, im Umland und über Land rechtschaffen Motorrad fahren. Das gute, sorgfältig abgestimmte Fahrwerk (mit Showa-Komponenten) und die sehr ordentliche Bremsanlage (mit Bosch-ABS) verleihen Stabilität und ein gutes Sicherheitsgefühl. Wie überhaupt die DS in keiner Weise an ein „Leichtkraftrad“ erinnert: Dem stehen schon das Leergewicht von 239 Kilogramm und die mögliche Zuladung von 260 Kilogramm entgegen. Auch ihre Statur ist respektabel – kein Betrachter würde vermuten, dass sie in die Kategorie der A1/B196-Leichtkrafträder fällt.
Andererseits bestätigt auch die Zero DS den alten Spruch „Von nix kommt nix“, denn ihr Listenpreis mit 18.400 Euro liegt etwa dreimal so hoch wie der üblicher Premium-Leichtkrafträder. Mindestens, denn man kann gegen 3.000 Euro Aufpreis plus 400 Euro fürs Kabel beispielsweise das serienmäßige 3-kW-Ladegerät durch eines mit 6 kW ersetzen oder einen Zusatzakku integrieren. Die Fünfjahres-Garantie ist serienmäßig.
Der Preis: ab 18.400 Euro
Trotz exzellenter Fahreindrücke, immerhin zufriedenstellender Reichweite und ihrer sehr erwachsenen, respektgebietenden Statur, guter Verarbeitung und guter Ausstattung – Konnektivität, diverse Fahrmodi usw. – gibt es auch bei der Zero DS ein deutliches „Aber“: Für 16-jährige wird sie wegen Preis und Statur nur in Ausnahmefällen passen. Anders ist das für Klasse-B-Inhaber, die sich die B196-Erweiterung gegönnt haben: Für sie ist die Zero DS derzeit die einzige Möglichkeit, legal ein absolut landstraßengeeignetes Motorrad zu fahren; es gibt kein Verbrenner-Bike der 11-kW-Klasse, das ihr gewachsen wäre. Und jenseits der 25 Jahre, dem Mindestalter für den Erwerb der B196-Zusatzlizenz, steht ja oftmals auch mehr Geld zur Verfügung.
Das Lade-Prozedere der Testmaschine war unkompliziert, obwohl sie mit zwei Ladekabeln kam. Grund dafür war der zusätzlich integrierte Schnelllader. Statt dieses Power Chargers besteht die Möglichkeit einer Akku-Erweiterung namens „Power Tank“ für 3.500 Euro zur Erhöhung der Reichweite. Power Tank und Power Charger lassen sich nicht kombinieren, weil sie nicht zugleich im Ablagefach Platz finden können. Es befindet sich dort, wo Benzin-Bikes den Tank haben. Dieses Fach ist im täglichen Einsatz übrigens überaus praktisch, wird aber mit einer der genannten Zusatzausstattungen deutlich kleiner.
Das konventionelle Laden an der Haushaltssteckdose erforderte stets etwa vierdreiviertel Stunden; nach rund zweieinhalb Stunden zügiger Fahrt erschien uns das nicht total unangemessen, auch wenn Benziner nach fünf Minuten an der Tanke wieder fit zur Weiterfahrt sind. Wer mittels der Zero Betriebskosten sparen will, braucht einen langen Atem: Statt 5 Euro Spritkosten bei einer 125er mit Verbrennerantrieb kam die Zero mit 3 Euro Stromkosten (bei 40 Ct. pro kWh) aus. Ulf Böhringer/SP-X
Zero DS – Technische Daten:
Radstand 1,525 m, Sitzhöhe 82,8 cm, Gewicht 239 kg, Zuladung 260 kg, Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit max. 139 km/h, auf Dauer 105 km/h.
Motor: Luftgekühlter bürstenloser Permanentmotor, Maximalleistung 45 kW/60 PS bei 3.650 U/min., Dauerleistung 11 kW/15 PS bei 3.800 U/min; 600 A Drei-Phasen-Controller mit regenerativem Bremssystem. Kraftübertragung durch kupplungslosen Direktantrieb ohne Schaltung; Sekundärantrieb durch Zahnriemen.
Akku: Lithium-Ionen-Batterie, maximale Leistung 14,4 kWh, nutzbare Leistung 12,6 kWh; integriertes Ladegerät 3 kW; Ladezeit total 4:45 Stunden (Haushaltssteckdose), Norm-Reichweite 157 km.
Fahrwerk: Stahlgitterrohrrahmen; USD-Gabel (voll einstellbar), Federweg 190 mm; hinten Zweiarmschwinge aus Leichtmetallguss, Zentralfederbein (voll einstellbar), 190 mm Federweg; 320 mm-Doppelscheibenbremse vorne, 265 mm-Einscheibenbremse hinten. Reifen Pirelli Scorpion Trail II, 120/70-19 vorne, 170/60-17 hinten.
Assistenzsysteme: Kurven-ABS, dyn. Traktionskontrolle, Berganfahrhilfe, Rangierhilfe (vor- und rückwärts), fünf Fahrmodi, Offroad-Bremsmodus, Tempomat, Konnektivität.
Preis: ab 18.400 Euro; Zusatzakku (3,6 kWh) für 3.519 Euro oder zusätzlicher Schnelllader 2.975 Euro + EVSE-Kabel 395 Euro, Garantie: fünf Jahre ohne km-Begrenzung auf Motorrad und Akku.
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